9 Monate Zeit, ein 3,2-Abitur und ich habe einen Medizinstudienplatz in Witten!
Kurze Erinnerung: Im Spätsommer 2020 habe ich den Entschluss gefasst mein Sportstudium zu beenden, um in die Medizin zu wechseln. Seit wenigen Tagen habe ich nun eine Zusage zu einem Studienplatz der Humanmedizin.
Heute möchte ich erzählen, was mich innerlich antreibt, Medizin zu studieren, warum ich unbedingt an die Universität Witte/Herdecke wollte und mit welchen Gedanken und Gefühlen ich nun auf den kommenden Lebensabschnitt blicke.
Für mich ist der menschliche Körper ein biologisches Meisterwerk der Natur. Er fasziniert mich in allen seinen Funktionen und Zusammenhängen. Ich sehe den Menschen als eine Einheit aus seiner physischen, psychischen als auch seelischen Beschaffung. In meinem Augen ist es unmöglich diese Ebenen der menschlichen Existenz voneinander zu „entkoppeln“.
Mein Ziel war ursprünglich, mit meinem Sportstudium in die medizinische Forschung zu gehen. Zwar war das Sportstudium durchaus forschungsorientiert und auch medizinisch ausgelegt, jedoch musste ich einsehen, dass es einer Utopie glich, mit der Qualifikation eines Sportstudiums meinen Platz in der Medizin zu finden. Insofern stand ich vor der Frage, wie ich das mit einem 3,2-Abitur erreichen konnte…
Rückblickend habe ich realisiert, dass der Kontakt zu einem der Gründer der FollowYourTalent-Stiftung mich menschlich enorm reifen ließ und ich mich dadurch immer mehr traute, mich anderen Menschen gegenüber verletzlich zu zeigen. Mir wurde bewusst, dass man das Risiko emotional verletzt zu werden, eingehen muss, um nicht an Einsamkeit und emotionaler Leere zu verkümmern. Metaphorisch könnte man es so beschreiben, als hätte man die Heizung in meinem vereisten Herzen aufgedreht.
Dieser Erfahrungswert hat mich zudem gelehrt, dass man sich selbst auf jeden Fall immer etwas zutrauen muss, aber durch einen anderen Menschen, der einen bestärkt und an einen glaubt, ein noch viel größeres Entwicklungspotential geweckt werden kann.
Auf meine berufliche Orientierung hatte das die Auswirkung, dass ich mir nun auch gut vorstellen konnte, in direktem Kontakt mit Menschen zu arbeiten. Bis zu dem Zeitpunkt dachte ich nämlich, dass ich eher für die medizinische Forschung geeignet sei und so den Menschen helfen könne. Aber das „Auftauen“ erweckte eine Empathie, die mich in ihrer Stärke selbst verwunderte. Im Pflegepraktikum erkannte ich mich in einigen Stellen kaum wieder – ich war positiv überrascht, wie emphatisch und mit wie viel Liebe ich agieren konnte. Das bekam ich auch oft als Feedback. Seitdem bin ich fest entschlossen als praktizierende Ärztin direkt mit Patienten arbeiten zu wollen, genauso aber auch meiner Faszination noch recht unerforschter Gebiete der Medizin nachzugehen und zu forschen.
Aber das alleine reicht mir nicht. Ich will neben einer Tätigkeit mit Patienten auch gesamtgesellschaftlich wirken. Denn ich bin der Überzeugung, dass es eine Verantwortung unserer Gesellschaft ist, dass jeder Mensch ein ausreichendes „Gesundheitsbewusstsein“ hat, das ihn vor lebensstilbedingten Krankheiten schützt. Zugegeben, ich habe erst vor nicht allzu langer Zeit verstanden, dass Wirtschaft an sich nichts „Schlimmes“ ist, ganz im Gegenteil, ökonomisches Wachstum generiert Wohlstand. Okay, da durfte ich meinen Blick weiten und lernen.
Ich gehe jedoch nicht damit konform, dass eine Vielzahl von Unternehmen auf Kosten der Gesundheit vieler Menschen wächst. Beispielhaft hierfür wäre ein immer differenziertes Sortiment an so stark verarbeiteten Lebensmitteln, die chemisch auch noch so konzipiert sind, dass sie gewisse Abhängigkeiten des Konsumenten auf biologischer Ebene hervorrufen. Das geht zu weit. Jeder Mensch hat es doch verdient zu wissen, was sein Körper, seine Psyche und seine Seele braucht. Und was in welchem Maß. Und was auch nicht unbedingt.
Es steht doch in größtem Widerspruch, dass wir als Gesellschaft nach wirtschaftlichem Wachstum und Wohlstand streben, aber viele von uns den Preis in Form von lebensstilbedingten Krankheiten bezahlen. Wo bleibt da das aufgeklärte, mündige Individuum?
Ich hatte das Glück in diesem Jahr Mitglied des sogenannten „Bürgerrats der Bundesrepublik Deutschland“ zu sein. Dafür wurden unter der Schirmherrschaft des Bundestagspräsidenten 160 Menschen aus Deutschland zufällig ausgelost, um über mehrere Wochen das Thema „Demokratie“ zu diskutieren und bestimmte gesellschaftspolitische Themen zu bearbeiten. Ich war in der Gruppe „Nachhaltigkeit“. Wir waren uns einig, dass das ökonomischem Wachstumsparadigma durch Nachhaltigkeit ersetzt werden muss. Und das ist der Punkt, an dem ich auf gesellschaftlicher Ebene als Medizinerin wirken will und werde.
Versteht mich nicht falsch, ich möchte auch unbedingt Menschen im direktem Kontakt helfen, indem ich sie bei ihrer Genesung unterstütze und diese auch möglichst nachhaltig zu schützen. Trotzdem steht es für mich auch außer Frage, dass man die Ursachen für schlechte Lebensstile reduzieren sollte.
Warum wollte ich nun aber unbedingt an die Universität Witten/Herdecke?
Ich erinnere mich noch sehr gut an den Moment, als ich Anfang November 2020 abends das erste Mal die Website der Universität Witten/Herdecke (UWH) öffnete. Da war mir schon klar, dass ich unbedingt Teil dieser Uni werden will. Mit der Zeit las ich so viel über die Werte der Universität, die Angebote neben dem Studium, sei es Begleitstudiengänge, Studenteninitiativen, Auslandsaufenthalte, dass es bald keinen Menschen in meinem Umfeld mehr gab, der nicht ungefragt einen Vortrag über die UWH bekam.
Ich bin davon überzeugt, dass die Uni genau den familiären Rahmen bietet, den ich brauche, um mein Potential voll zu entfalten, aber einhergehend mit dem Freiraum für persönliche Entwicklung. Die UWH lehrt einem nicht nur die medizinischen Inhalte, die im Studium Humanmedizin vorgesehen sind, sie hat genauso die Kompetenzen aus Leuten wie mir Arztpersönlichkeiten mit Empathie und einem weiten Horizont zu formen.
Mir ist durchaus bewusst, dass die nächsten zehn Jahre durch viel Lernen und zahlreiche Herausforderungen unterschiedlichster Natur geprägt sein werden, wovor ich großen Respekt habe. Aber gleichzeitig blicke ich auch mit viel Vorfreude auf den nun kommenden Lebensabschnitt. Ich bin gespannt, welche Überraschungen, positive als auch negative, in meiner Zeit an der UWH auf mich warten.
Ich habe mich auch entschlossen, das erste Mal – statt in eine WG – in eine eigene Wohnung zu ziehen. Ein neuer Schritt, aber ich habe das Gefühl, dass die Zeit dafür reif ist.
Genauso weiß ich, dass zwischen meinem jetzigen Ich und einer Arztpersönlichkeit noch ein unglaublich langer Weg liegt, aber ich kann es kaum erwarten, diesen Schritt für Schritt zu beschreiten und an neuen Herausforderungen zu wachsen.
(c) Foto Universität Witten/Herdecke