Es sind die Endzüge der Pubertät, die ein auf dem Papier nunmehr „volljähriger“ Mensch durchlebt.
Es ist die Zeit im Leben, in der man seine eigene kleine Welt als Individuum, die meist aus einem überschaubaren sozialen Gefüge besteht, verlässt, um die große Welt der Gesellschaft zu erkunden und seinen Platz zu suchen.
Es ist die Zeit, in der man berufliche Entscheidungen trifft, Wege einschlägt, lernt größere Verantwortungen zu übernehmen und Herausforderungen bestreitet, die über den Alltag aus Schule und Hobbys hinaus gehen.
Es ist die Zeit, in der man sich selbst sucht, man probiert Dinge aus, man denkt und fühlt viel darüber nach, womit man sich identifiziert. Man setzt sich mit seiner Existenz und seinen eigenen Werten auseinander.
Klingt mega. Geile Zeit, keine Frage.
Aber den Schritt aus seinem eigenen kleinen Mikrokosmos raus in die große makrokosmische Welt ist eigentlich kein Schritt, sondern eine lange Reise mit zunächst unbekannten Ziel.
Umso wichtiger ist es deshalb einen Ankerpunkt, einen Heimathafen, ein Zuhause zu haben.
Einen Ort an den man jederzeit kommen kann. Um Kraft und Energie zu tanken, um Erlebnisse zu reflektieren und zu verarbeiten, um die Reise überhaupt als Reise im Kontrast zum Zuhause wahrnehmen zu können.
Was aber, wenn ein junger Mensch keine solche Familie hat? An dieser Stelle möchte ich aus eigener Erfahrung anmerken, dass eine Familie nicht der üblichen Norm aus Vater und Mutter sowie optional Geschwistern entsprechen muss. Ich würde den Begriff sogar von der biologischen Verwandtschaft entkoppeln. Familie sind für mich Menschen, die mich allumfassend kennen, lieben und verstehen und dadurch zu einem Ort für mich werden, an dem man sich geborgen fühlt, aber auch den Raum hat menschlich zu wachsen.
Dieser Ort und Raum ist unabdingbar, um seine Persönlichkeit zu entwickeln. Deshalb verstehe ich nicht, warum es in Deutschland noch so geregelt ist, dass man sogar selbst einen Antrag stellen muss, um Jugendhilfe über den 18. Geburtstag hinaus zu bekommen. Mal davon abgesehen, dass die Jugendhilfe meist eher finanzieller und vielleicht noch psychischer Natur ist, aber nicht die Defizite an Geborgenheit und Liebe kompensiert. Ja, die braucht man auch mit Ü18. Sogar mehr als man denkt.
Es wird versucht, Jugendliche schnell zur Selbstständigkeit zu verhelfen. An sich kein schlechter Ansatz, jedoch kritisiere ich sehr, dass die Hilfe meist sehr rationalisiert gewährleistet wird und emotional total verbesserungswürdig ist.
Um zu einer gestandenen Persönlichkeit zu werden, ist es nicht damit getan, die offensichtlichen Dinge wie finanzielle Unterstützung etc. auf Antrag länger zu ermöglichen. Das ersetzt keine zwischenmenschliche Bindung. Und ein Psychologe o.ä. ist bestimmt eine gute Idee, um die meist vorhandenen (möglicherweise traumatisierenden) Erlebnisse aufzuarbeiten. Es ersetzt jedoch keineswegs einen familiären Rahmen, den man als junger Erwachsener braucht, um zu sich selbst zu finden.
Mal davon abgesehen hat das staatliche System an Jugendhilfe sehr viele Barrieren, die es unheimlich erschweren, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Gerade bei einer Unterbringung in Heimen etc. ist das sehr unüblich, so dass es enorm viel Aufwand, Kraft und Mut kostet sich den Blockaden, die einem doch mehr im Wege stehen als man denkt, zu stellen. Es ist aus einer solchen Startposition unheimlich schwierig den Platz in der Gesellschaft zu erreichen, wo man sich intuitiv und aus dem Innersten heraus selbst sieht. Noch schwieriger ist es, den Weg dorthin konsequent zu verfolgen.
Ich finde es steht aufgrund der menschlichen Würde außer Frage, dass jeder Mensch gleichermaßen Bildung verdient. Auch akademische Bildung, egal in welches Elternhaus er hineingeboren wurde.
Leider hatte ich oft das Gefühl, dass Menschen, die außerfamilär aufgewachsen sind, ein geringeres Potential zugeschrieben wird. Der IQ und der Wert des Individuums für die Gesellschaft lässt sich sicher nicht mit 18 Jahren oder früher anhand des Elternhauses bestimmen, keinesfalls.
Es gibt so viele Familien bzw. Menschen, die diese Liebe schenken wollen. Es ist eine Frage der Umsetzung, eine Frage von bürokratischen Hindernissen, eine Frage des Mutes einer Gesellschaft, um allen Menschen die Chance des unendlichen Entwicklungspotentials zu bieten.
Aber genau das wünsche ich mir.