Neugeboren

Die Pubertät begann bei mir relativ zeitgleich wie bei meinen Altersgenossinnen, meine Brust war mit 70C mit 13 Jahren zwar schon recht groß, aber noch völlig im Rahmen.

,,Explodiert” ist das Ganze erst etwa mit 14/15 Jahren als ich die Pille verschrieben bekam. Einerseits der Haut wegen und andererseits, weil es in außerfamiliären Wohneinrichtungen üblicher ist, dass Mädchen schon früh die Pille bekommen, um zu verhüten – auch wenn das in meinem Fall damals ein utopischer Gedanke war. Und nebenbei gemerkt, ich finde es total unverantwortlich, Mädchen in meinem Alter diesen Hormoncocktail zu verabreichen.. die körpereigene Östrogensythese kann – wie in meinem Fall – noch nicht stabilisiert sein und es kann zu erheblichen Folgeschäden auf hormoneller Ebene kommen..

Nunja, meine Brüste wucherten jedenfalls munter weiter bis sie 70H erreichten.. und nein, durch das Absetzen der Pille im Frühjahr 2017 gingen sie auch nicht zurück, leider..

Bereits 2016 suchte ich aufgrund der Rückenschmerzen sowie der psychischen Leiden einen Chirurgen auf, der eine operative Verkleinerung für sinnvoll hielt.

“Du musst deinen Körper akzeptieren und lieben lernen wie er ist!”.. “Du bist doch noch so jung!”..”Aber Brüste sind doch was Schönes!” – jeder hatte seine Meinung dazu und die bestand meistens aus Unverständnis ..

.. aber wenn du als 16-jähriges Mädchen in der Omi-Wäscheabteilungen shoppen musst, weil dir normale Hartschalen-BH´s nicht passen bzw. nicht in deiner Größe hergestellt werden, du dir mit einem Band sowie einem zweiten Kompressions-BH jeden Tag die Brust abspannst, um sie unter einem XXL-Pulli etwas zu kaschieren, um dir wenigstens ein paar Blicke und Sprüche zu ersparen, hat das in meinen Augen wenig mit Selbstakzeptanz zu tun. Nebenbei bemerkt hätte ich ja einen Körper akzeptieren sollen, der auf unnatürliche Weise so wurde wie er dann war (Pilleneinnahme).  Die OP 2016 ist im Übrigen daran gescheitert, dass meine leibliche Mutter, die damals das alleinige Sorgerecht hatte, nicht zugestimmt hat. Eigentlich völlig unverständlich, schließlich litt ihr Kind dadurch unter Schmerzen – physischer und psychischer Natur..

Nach dem Absetzen der Pille begann auch meine Zeit als Kraftsportlerin. Aber nein, dadurch wurde die Brust nicht kleiner! Erst in den Endzügen meiner Wettkampfvorberitung im September und Oktober 2018 kollabierte meine Brust innerhalb von 4 Wochen. Dass sich die Haut natürlich nicht so schnell zurückbildet, ist klar. Von nun an hatte ich also Hängebrüste oder wie ich sie nannte: “Müllsäcke”. Man bemerkt eventuell meinen psychischen Bezug zu meiner Brust (ich hatte im Übrigen kein Problem mit weiblichen Rundungen, nein, ich wollte sogar immer mehr Po und Hüfte haben, nur mit der Brust hatte ich so einen “struggle”). Dennoch muss ich sagen, war ich erleichtert, dass sie eingfallen sind, denn von nun an war das Abspannen nicht mehr notwendig. Schicke BH´s konnte ich aufgrund der Erschlaffung zwar trotzdem nicht tragen, aber es war viel erträglicher als zuvor..

Allerdings war für mich immer nur die Frage, WANN die OP folgen sollte und nicht OB. Mittlerweile war ich zwar volljährig, aber da es aufgrund des Einfalls der Brust aus medizinischer Sicht (Rückenschmerzen) nicht mehr notwendig war, musste ich die OP selbst finanzieren.. Ich arbeitete und sparte bis ich die rund 8.000 € OP-Kosten zusammen hatte und erfüllte mir meinen Traum.

Für mich fühlt es sich an als hätte man mir ein neues Leben geschenkt, denn so banale Dinge wie ein Besuch im Schwimmbad, ein enges Trägertop oder gar einen normalen BH zu tragen sowie auch in sexueller Hinsicht Nähe zu jemanden aufzubauen, das alles sind Dinge, die bislang nicht möglich waren, aber eigentlich völlig normal sind in meinem Alter.

Ich bin echt froh, dass ich nun eine Chance bekommen habe so ein Leben zu führen ohne irgendwelche Einschränkungen durch meine Brüste,. Ich hab es – um ehrlich zu sein – im Moment noch nicht zu 100% realisiert..

Wenn ich so zurückblicke kann ich es auch gar nicht richtig fassen, dass ich mir endlich aus eigener Kraft diesen Wunsch erfüllt habe. Ich erinnere mich an hunderte Nächte mit tränendurchweichten Kopfkissen, Scham und Ekelgefühlen beim nackten Anblick in den Spiegel, an ein Verstecken der Brust über Jahre..

Dass das nun vorbei ist, ich eine Brust habe, die nicht hängt und proportional zu meinem sportlichen Körper passt, ich mich wohl fühle in meiner Haut, es ist unbeschreiblich..

Bei diesem Blogeintrag kommen mir immer wieder die Tränen, weil ich es selbst nicht fassen kann, dass das ganze Leid nun vorbei ist; ich werde 21 im August und kann mein Leben endlich stinknormal leben und genießen, werde nicht jeden Tag mit Abspannen und Kaschieren der Brust beschäftigt sein, ich fühle mich befreit und neugeboren..